Lisas Einsamkeit
- oder wie Hochsensible in die soziale Isolation geraten können
Schon als Kind hatte Lisa das Gefühl, anders zu sein. Während ihre Freundinnen leicht miteinander umgingen, fühlte sie sich oft wie eine außenstehende Beobachterin. Sie nahm die Stimmungen der anderen intensiver wahr und machte sich Gedanken über Dinge, die andere nicht einmal bemerkten. Mit der Zeit wuchs ihre Angst, dass etwas mit ihr nicht stimmte oder sie nicht gut genug sei.
Um nicht aufzufallen, begann Lisa, sich geschickt zu verstellen. Sie lachte mit, auch wenn sie sich nicht so fühlte, und spielte die Rolle, die von ihr erwartet wurde. Doch jedes Mal, wenn sie sich anpasste, wurde ihr bewusst: „Ich gehöre nicht dazu.“
Der Kreislauf der sozialen Isolation
Je mehr sie versuchte, „normal“ zu wirken, desto erschöpfter wurde sie. Tiefere Gespräche vermied sie aus Angst, jemand könnte ihre wahre Natur erkennen. Nach außen schien sie integriert, doch innerlich war sie isoliert. Die ständige Anstrengung, nicht entdeckt zu werden, führte dazu, dass Lisa sich immer weiter zurückzog.
Die Erschöpfung hinter der Maske
Jede soziale Interaktion wurde für Lisa zur Belastung. Die Maske aufrechtzuerhalten, kostete sie enorme Kraft. Mit der Zeit begann sie, Einladungen abzulehnen, um sich vor Erschöpfung zu schützen. Doch was einst ein Schutz vor Ablehnung war, führte sie tiefer in die Einsamkeit.
Die zufällige Entdeckung
Eines Tages stieß Lisa im Internet auf einen Artikel über Hochsensibilität. Neugierig begann sie zu lesen, und Absatz für Absatz erkannte sie sich wieder. Die intensiven
Wahrnehmungen und tiefen emotionalen Reaktionen – all das beschrieb ihre eigene Erfahrung. Zum ersten Mal wurde ihr klar, dass sie nicht „falsch“ war. Ihre Sensibilität war keine Schwäche, sondern ein wertvoller Teil von ihr. Der Artikel vermittelte ihr eine neue Perspektive: Hochsensible Menschen haben eine besondere Gabe, die ihnen tiefere emotionale Verbindungen ermöglicht. Diese Erkenntnis war für Lisa befreiend.
Unterstützung auf dem Weg
Für Menschen wie Lisa, die sich tief in die Isolation zurückgezogen haben, gibt es Coaching- und Therapieformen, die gezielt auf die Bedürfnisse Hochsensibler eingehen. Sie bieten Unterstützung, um alte Verletzungen zu heilen, Selbstakzeptanz zu fördern und den Weg zu authentischen Beziehungen zu ebnen.
Der Weg zur Authentizität
Im Coaching lernte Lisa, ihre Maske abzulegen. Es war ein langsamer Prozess, aber sie begann, offen über ihre Bedürfnisse zu sprechen und Beziehungen zu suchen, in denen sie sie selbst sein konnte. Mit jeder ehrlichen Begegnung wuchs ihre innere Stärke, und sie fand zurück zu sich selbst. Lisa entdeckte, wie erfüllend es war, echte Verbindungen zu anderen Menschen zu pflegen.
Lisas Geschichte, die ich als einen Prototyp aus vielen persönlichen Gesprächen und Erfahrungen synthetisiert habe, zeigt, dass Hochsensible oft in Isolation geraten, weil sie glauben, nicht in Ordnung zu sein. Die Anpassung an die Umwelt erweist sich im Erwachsenenleben als Sackgasse. Der Weg aus der Einsamkeit liegt in der Akzeptanz der eigenen Sensibilität und in dem Mut, authentisch zu leben.
Reinhard Persdorf
HSP-Coach und -Therapeut
Bild zur Meldung: Vitolda Klein auf Unsplash