Homeoffice - eine Schwingtür für feinfühlige Menschen
Kaum etwas hat nur Vorteile. Und kaum etwas nur Nachteile. Für gewöhnlich kommt es auf den Blick- oder Bedürfniswinkel an und der ist bei hochbegabten und hochsensiblen Menschen nun mal einfach anders.
Vielleicht kennst du das auch: Du gehst durch eine Schwingtür, vergisst aber, dass sie, kaum dass du sie hinter dir losgelassen hast, wieder zurückschwingt … und zack, fährt sie dir ins Kreuz. Ein Schreckmoment, eine Irritation, ein Schmerz. Nicht lange, aber lang genug, um im ungeeigneten Moment die situative Balance zwischen Sicherheit und Freiheit zu verlieren.
Die Coronazeit begann und mit ihr massive Veränderungen in der zwischenmenschlichen Kontaktgestaltung.
Eine davon war in der Arbeitswelt die rasante Ausweitung des Homeoffice. Das Motto lautete „Ich arbeite Zuhause“ und viele stöhnten zuerst auf. Nicht so die Feinfühligen. Für sie brachen - reiztechnisch gesehen - goldene Zeiten an. Endlich nicht mehr in überfüllten Rush-Hour-Bahnen durch die Stadt zockeln, nicht mehr zwanghaft Small Talk pflegen, nicht mehr am zu lauten oder miefigen Arbeitsplatz mit seiner stillosen Gestaltung sitzen müssen. In meinen Coachings und bei den Online-Treffen sah ich die große Erleichterung in den Gesichtern, die Entspannung in den Körpern und die Freude, endlich durch die Schwingtür der Alltags-Entreizung gehen zu dürfen.
Denn reiz-lose Auszeiten sind in unserer Arbeitswelt bekanntermaßen nicht vorgesehen. Drei bis vier Wochen Urlaub, die unter Umständen auch mit Familie oder privaten Aufgaben gefüllt werden, verhelfen nicht zur dringend nötigen Reizreduzierung im dauerbefüllten sensorischen System Hochsensibler und Hochbegabter. Aber nun, endlich, ist der Freischein da!
2024. Corona ist von dannen gezogen, geblieben ist das Homeoffice. Zumindest vielerorts. Inzwischen sind auch nicht mehr nur die Feinfühligen von der Option begeistert, entspannt im eigenen Zuhause oder am Strand auf Bali oder Mallorca den beruflichen Aufgaben nachzugehen. Ein eindeutiger Gewinn für die Menschheit! Oder doch nicht? Seit einer Weile mehren sich, auch gerade im Kreise der Hochsensiblen und -begabten, die Stimmen, dass sie der Kontaktarmut, der zunehmenden Isolation und vor allem dem Fehlen der physisch spürbaren Energien des anderen Menschen müde sind. Online-Treffen? Webinar? Ach nee, geht’s nicht auch live? Da ist sie, die Schwingtür im Rückschwung. Nichts hat nur Vor- oder Nachteile. So angenehm Homeoffice war und ist, werden inzwischen auch die Grenzen dieser Option deutlich.
Das Bedürfnis des Mit-Fühlens tritt inzwischen deutlich aus dem Schatten des Alltags-Hamsterrades und kann dadurch bewusst und absichtsvoll ins Leben geholt werden. Während noch darum diskutiert wird, ob diese Wahrnehmungen sich auch digital übertragen, treffen sich auch feinfühlige Menschen wieder freudig mit anderen Gleichgearteten, um die Vielfalt ihres sensorischen, emotionalen und energetischen Spürens dort zu genießen, wo sie sich wohlfühlen. Denn ohne geht es auch nicht; das haben wir jetzt erleben dürfen.
Cordula Roemer, Beratung zu Hochsensibilit
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