Mit dem Körper lernen
Digitalisierung hat Auswirkungen auf das Lernen. Einerseits steht uns das Weltwissen in nie dagewesenem Ausmaß zur Verfügung und erweitert unsere Möglichkeiten, andererseits sehen wir körperliche Defizite z.B. bei der Entwicklung von Kindern (siehe Beitrag von Miriam Großhennig). Beim Wort Lernen denkt man oft an rein geistig-kognitive Prozesse, an ein Klassenzimmer, in dem der Lehrer spricht und die Schüler zuhören. Oder auch nicht. Dieser Prozess ist passiv. Die Schüler bestimmen weder den Inhalt noch das Tempo. Der Erfolg wird nicht in erster Linie daran gemessen, wie gut die Schüler denken oder Probleme lösen können, sondern daran, wie gut sie Fakten wiedergeben können.
Lernen ist jedoch schon immer mehr als nur der passive Erwerb von Informationen und immer auch eng mit körperlichen Vorgängen verknüpft. Wissen wird durch individuelle Erfahrung und Interaktion, durch “Begreifen” und Ausprobieren gewonnen. Dies wird oft als aktives Lernen angesehen und ist ein Bestandteil von Meisterschaft und Genialität.
Moshe Feldenkrais war vielleicht so ein Genie. Er war nicht nur ein außergewöhnlich talentierter Lernender, sondern auch jemand, dessen Anspruch es war, Menschen das Lernen beizubringen, so dass sie ihr eigener Lehrer werden können und keinen anderen Lehrer brauchen würden.
In der Feldenkrais-Methode sind Selbsterfahrung und Erkundung in eine therapeutische Bewegungsmethode eingebunden, die ein wenig an Yoga, ein wenig an Physiotherapie und sehr an kindliches Erkunden erinnert, bei dem mit Bewegung, mit dem Leben und den unendlichen Möglichkeiten gespielt wird. Feldenkrais betonte, dass Lernen Spaß machen solle, ein Prozess, der auf Neugierde und nicht auf dem Streben nach Perfektion beruht.
Er lehnte die Idee des schulischen Einheitslernens ab und erkannte an, dass jeder Mensch einzigartige Bedürfnisse, Hintergründe und Fähigkeiten hat. Daraus entwickelte er flexible Lektionen, die auf die individuellen Bedürfnisse, Hintergründe und Fähigkeiten jeder Person zugeschnitten werden konnten und so für ein breites Spektrum von Menschen zugänglich waren.
Was bedeutet das alles? Für ein Kind ist Lernen Transformation. Seinen Körper zu beherrschen bedeutet, seine Fähigkeiten zu transformieren. Ein Kind, das krabbeln, klettern, werfen, singen, schauspielern und zählen lernt, wird später zu einem erwachsenen Menschen, der zu vielem fähig sein wird. Lernen ist transformativ.
Mit zunehmendem Alter verlieren wir oft einige unserer körperlichen Fähigkeiten. Das ist jedoch kein Schicksal, denn jeder kann lernen und sich verändern: die Wissenschaft zeigt, dass das Gehirn in jedem Alter Neues lernen und sich verändern kann (sog. Neuroplastizität). Mit der richtigen Anleitung können wir uns neu programmieren, um neue Dinge zu tun oder sie zu verbessern.
Mache den ersten Schritt, um dein Potenzial neu zu entdecken. Ob du deine Bewegungsfähigkeit verbessern, deinen Geist schärfen oder dein Wohlbefinden steigern möchtest, es ist nie zu spät, zu lernen und sich zu verändern.
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