Achtung, Entkörperlichung!
Die aktuelle Ausgabe des Blogs widmet sich den Licht- und Schattenseiten der zunehmend digitalen Welt. Ich habe dazu einige Fragen formuliert, die unser Bewusstsein für die Risiken übermäßiger Virtualität und Medienkonsums schärfen soll.
Die wichtigste Frage aus meiner Sicht ist: Laufen wir Gefahr uns zu „entkörperlichen“?
Was geschieht zum Beispiel, wenn sich mein Gegenüber nur visuell/ zweidimensional auf einen Bildschirm reduziert und ich seine Körperwärme, seinen Geruch, seine Schwingungen und die Energie zwischen uns nicht unmittelbar mitbekomme?
Verlernen wir dadurch uns zu spüren?
Wenn ich nur noch eine virtuelle Verbindung mit anderen Personen habe, laufe ich dann Gefahr, nur noch in meinem Kopf zu sein und mich gar nicht mehr selbst zu spüren, da mir die Wahrnehmung all meiner anderen Sinne fehlt?
Verlernen wir durch einen mangelnden Vis-a-Vis-Kontakt uns adäquat sozial gegenüber unseren Mitmenschen zu verhalten?
Offensichtlich ist es mit zunehmender Verbreitung der sozialen Medien zu einem raueren Ton gekommen. Wenn ich dem Anderen nicht direkt gegenüberstehe, lässt es sich ungehemmter lospoltern. Es hat also Auswirkungen auf meine Sozialkompetenz, wenn ich meinem Gegenüber nicht direkt begegnen muss. Ein respektvoller und einfühlsamer Umgang leidet, wenn wir nicht mit einer direkten Reaktion (die wir mit allen Sinnen erfahren) konfrontiert werden.
Verlieren wir eine natürliche Verbundenheit und auch die Verbundenheit zur Natur?
Wenn ich überwiegend in der digitalen Welt unterwegs bin, geht mir dann dadurch die Beziehung und die Verbundenheit zu meiner mich umgebenden Natur, zu mir selbst und zu meinen Nächsten verloren?
Das tägliche Aufstehen und losgehen zur Arbeit ist auch immer wieder ein Training, mich meiner Umwelt in der einen oder anderen Form auszusetzen. Ich begegne verschiedensten Menschen, konfrontiere mich mit der Witterung, bewege mich in meiner Umgebung, bin in der Wirklichkeit, die mich umgibt, mit all meinen Sinnen unterwegs. Meine Koordination und Orientierung wird in jeglicher Hinsicht geübt und trainiert. Wie steht es aber um all das, wenn ich mich im Homeoffice befinde? Komme ich noch ausreichend zu einem Training all dieser Kompetenzen?
Der Umgang mit den digitalen Medien hat großflächig Einzug gehalten und bringt einige Vorteile (siehe auch die anderen Beiträge). Aber wo befindet sich der Übergang von einem förderlichen und produktiven Gebrauch dieser Möglichkeiten und wo entsteht eine Abhängigkeit, die dazu führt, dass wir verkümmern bzw. degenerieren?
Was ist mit der Tablet- und Handynutzung bei Kindern? Schon seit längerem wird beobachtet, dass viele Kinder nicht mehr in der Lage sind, einen Purzelbaum zu schlagen oder eine Rückwärtsrolle zu machen (zwei wesentliche Fertigkeiten für die Orientierung im Raum und für den Ablauf einer Koordinationskette). Es entwickelt sich kein vollständiges Körperbewusstsein.
Haptische Wahrnehmungen fördern unser Bewusstsein und neuronale Verknüpfungen, indem wir die Dinge buchstäblich “begreifen”. Wir sind Wesen mit Körper, Geist und Seele. Wenn wir uns “entkörperlichen” verlieren wir auch unsere Ganzheit. Das wäre bei all dem technischen Fortschritt ein gewaltiger Rückschritt in unserer menschlichen Entwicklung.
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