Im Gleichgewicht der Elemente
Ich sitze in meiner Werkstatt an meiner Werkbank und blicke sinnierend aus dem ziemlich verstaubten Fenster in den verwilderten Teil unseres Gartens. Auf dem Fensterbrett tummeln sich verschiedene, ebenfalls staubige Becher mit Pinseln, Stiften und Linealen. Die etwas größeren Werkzeuge hängen ordentlich rechts an der Werkzeugwand und strahlen Vertrauen und Professionalität aus. Vor mir ein weißes Blatt Papier und ein Bleistift. Start eines jeden Meisterwerks! Oder auch nicht.
In meinem betagten jugendlichen Wahnsinn habe ich einen Auftrag angenommen, den umzusetzen, wie ich nun feststelle, sich störrischer gestaltet, als mir lieb ist. “Bitte fertigen Sie uns ein Kunstwerk, das die Verbindung der fünf Elemente auf inspirierende Weise darstellt. Es soll im Foyer unserer Firma sowohl unsere Firmenphilosophie symbolisieren, als auch als ein repräsentatives Kunstobjekt unsere Kunden empfangen. Sie wurden uns genau dafür empfohlen.” Ja klar, mache ich Ihnen. Kein Ding!
Wenn der Kopf vor lauter Schreck sich geleert hat, ist es gut - so habe ich es in meiner künstlerischen Laufbahn immer wieder erfahren -, erst einmal ein paar profane Eckdaten oder Linien zu Papier zu bringen. Nichts ist fürs Gehirn abschreckender, als ein weißes Blatt Papier vor sich.
Gut. Fünf Elemente: Luft, Feuer, Wasser, Erde und Metall. … Wow, der Durchbruch ist geschafft. Ach halt, ein Punkt kann auch noch mit aufs Blatt: Die Elemente sollen in ein Gleichgewicht gebracht werden. Okay … Gleichgewicht … Waage … Wippe … Über- und Unterfluss … Unterfluss? Was soll denn dieser Quatsch?!
Und dann ist es da, das innere Bild, ganz plötzlich: Ein Mobile! Augenblicklich ist mein Geist gefesselt, Bilder, Gedanken und Fragen überstürzen sich. Die nächsten Tage und Wochen begebe ich mich auf elementare Spurensuche: analoge Symbole, die neue Assoziationen wecken. Ich tauche ein in die Qualität eines jeden Elements, stiere in unseren Dorfbach oder auf den laufenden Wasserhahn, lasse die Erde in meinen Fingern ruhen und zerrinnen, halte Tücher, Federn und Zweige stundenlang in den Wind, um ihre Bewegungen zu studieren, glotze schweigend endlose Zeiten in unser Lagerfeuer, die Gespräche der Freunde nicht hörend, Leos Frustration ob meiner geistigen Abwesenheit nicht spürend, während ich immer wieder den kleinen Metallquader aus der Tasche meiner Arbeitshose hole und seine feste und schwere Form befühle.
Es ist wie ein Trip. Ich denke an nichts anderes mehr, ich werde zu Wasser, bin Luft und Feuer zugleich, fühle mich fest und hart wie Metall, geerdet im Sein mit den Elementen. Ich erspüre die Essenz, um aus meinem energetischen Empfinden neue Formen zu kreieren.
Geburtswehen. Mit Schmerzen der Unsicherheit und Ratlosigkeit, mit der Erleichterung und dem Fluss des Gestaltens, der Freude und Glückseligkeit, meine Quintessenz im Kunstwerk wiederzuerkennen. Ich fühle mich geläutert, gereinigt und unglaublich harmonisch. Alles ist im Gleichgewicht, in mir und im Mobile.
Cordula Roemer,
Expertin für Hochsensibilität & Hochbegabung
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