Let it be - Raum für Lebendigkeit
Die Lebensqualität steigern, das ist eine Kunst. Savoir vivre. Ein Schlüssel dazu liegt in der Art und Weise, wie wir auf Herausforderungen reagieren und auf welche Weise wir unsere Ziele verfolgen.
Ob wir verbissen und angespannt auf das Ergebnis oder eine Lösung fixiert sind oder im Vertrauen darauf, dass alles gut eingerichtet ist. Anstrengung und Stress resultieren aus einer einseitigen, linearen Denkweise, die davon ausgeht, dass wir Kontrolle über die Natur, die Dinge und Menschen gewinnen müssen, kontinuierlich Leistung bringen müssen, nicht nachlassen dürfen in unserem Streben nach Erfolg und Anerkennung. Von nichts kommt nichts.
Und ja, gerade am Anfang eines Projektes oder einer Arbeitsstelle gibt es viel zu tun und viel Energie, um etwas in Bewegung zu bringen. Diese Energie, diese Schaffenskraft kommt jedoch aus der Inspiration und der Motivation, die neue Ideen - oder auch neue Menschen - mit sich bringen. “Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne…”.
Dieser “Power-Modus” ist etwas Lebendiges und Produktives. Und etwas deutlich anderes, als das “Müssen”. Denn dauerhaft bzw. linear funktioniert Hochleistung nicht. Früher oder später stellt sich eine Erschöpfung und Verschleiß ein, den der Körper uns signalisiert. Und nicht nur unser Körper ist erschöpft, auch das Ökosystem als Ganzes ist am Limit. Die “Grenzen des Wachstums” wurden bereits vor 50 Jahren benannt. Für ein kollektives Umdenken ist das ein eher kurzer Zeitraum. So sind Unternehmen, Organisationen, Schulen und Verwaltungen immer noch tief im linearen, vom männlichen Logos geprägten Modus verankert.
Umdenken, wohin?
Das lineare Paradigma braucht weibliche Qualitäten zum Ausgleich. Man könnte auch sagen: das Patriarchat hat endgültig ausgedient.
Weibliche Qualitäten erfahren wir zum Beispiel aus einer stärkeren Rückverbindung zur Natur. Das lineare “höher, schneller, weiter” existiert hier so gar nicht als Prinzip. Was existiert, sind Rhythmen und Zyklen, wie einatmen und ausatmen. Ein aktiver Tag und eine ruhige Nacht. Ein blühender Sommer und ein karger Winter. Entstehen und vergehen.
"Das Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht." Afrikanisches Sprichwort
Was wir also noch mehr entfalten dürfen, ist das Zyklische, die Lassenskraft. Richtig: nicht Schaffenskraft, sondern Lassenskraft. Neue Worte helfen beim Umdenken. Lassenskraft ist die »Qualität, etwas mit ganzer Kraft gehen zu lassen und in seinem So-Sein zu bejahen, ohne daran anzuhaften oder es dem Schema der eigenen Vorstellungen unterwerfen zu wollen« (Oya).
Raum lassen: dafür, dass etwas entsteht. Dafür, dass uns etwas zufließt. Das erfordert Vertrauen und die Bewusstheit darüber, dass es übergeordnete Kräfte gibt, mit denen wir uns in Einklang bringen können, die uns helfen, Dinge zu verwirklichen. Manche nennen es “das Tao”. Die Lebenskunst des Tao ist: Tun durch Nicht-tun. Das bedeutet nicht Nichtstun, sondern handeln, wenn es “dran” ist. Und gleichzeitig sich dem Fluss und den Wendungen des Lebens hingeben. Das Leben sorgt für uns, wenn wir es lassen.
Literatur:
Theo Fischer: “Wu Wei - Die Lebenskunst des Tao”
Tom Mögele: “Mind Flow - Wie Sie durch Nicht-Wollen und Nicht-Tun alles erreichen.”
Jenny Odell: “Nichts tun - Die Kunst sich der Aufmerksamkeitsökonomie zu entziehen.”
Alberto Villoldo: “Das Weisheitsrad - Die schamanische Heldenreise für Transformation und Heilung.”
Musik: The Beatles: Let it be
Bild zur Meldung: © Murtaza Ali auf Pixabay (Sufitanz)