Im Sturm der Gefühle - Teil des kollektiven Bewusstseins
Jeden Tag schauen wir auf einen Bildschirm, ob es der Fernseher, der Computer oder das Handy ist, wir lassen uns berieseln und davon beeinflussen, was wir sehen und hören.
Je nachdem für welches Programm wir uns entscheiden, wählen und ahnen wir auch schon die Reaktion unseres Nervensystems. Natürlich kann jeder selbst entscheiden, wie viel Aufregung er gerade braucht oder möchte, sei es im Kino oder Fernsehen oder auf der Playstation, das Nervensystem wird aktiviert und eine prompte Reaktionen folgt.
Wenn wir träumen kann unser Traummanager im besten Fall den Traum abbrechen und wir werden wach.
Wenn ein traumatisierter Mensch ein Re-trauma erlebt, ist er oft nicht in der Lage, den Bildschirm auszustellen oder den Traummanager einzusetzen.
Kürzlich habe ich mir Medien-Fasten auferlegt, genau in der Zeit, als der Krieg in der Ukraine begann. Ich wusste nichts davon und dennoch träumte ich fünf Nächte hintereinander von Hoffnungslosigkeit, Dunkelheit, Angst, Schrecken und Flucht. Ich konnte nur teilweise meinen Traummanager einschalten. Ich war sehr verwundert und in großer Unruhe über diese Träume und dachte, es hätte mit der Vulkaninsel Lanzarote zu tun, auf der ich mich befand.
Wie ich mit meinen Gefühlen von Hoffnungslosigkeit und Angst umging? Durch meine eigene Ausbildung als Körperpsychotherapeutin habe ich einige Tools, mit denen ich mein Nervensystem beruhigen kann und dennoch war es für mich wichtig, darüber zu sprechen, zu schreiben und eine Somatic Experiencing Therapeutin aufzusuchen. Ich habe mich geschüttelt, getanzt, bin in der Natur am Wasser spazieren gegangen und konnte so mein Nervensystem wieder regulieren.
Als ich begann Informationen aus den Medien, von Freunden und Klienten zu sehen und zu hören, wurde mir bewusst, dass die Träume offenbar mit dem Kriegsbeginn zu tun hatten. Die überwältigenden Erfahrungen meiner Eltern, Großeltern aus dem Krieg, worüber sie nicht oder nur selten gesprochen haben, waren in meinem Unterbewusstsein abgespeichert.
Durch diese Ereignisse sind aktuell bei vielen Menschen die kollektiven Kriegserinnerungen wieder an die Oberfläche gespült worden. Auf einem Friedhof saß ich mit einer 92 Jahre alten Dame und habe sie gefragt, ob durch den Krieg in der Ukraine bei ihr Erinnerungen auftauchen. Ich hatte das Gefühl, mit dieser Frage eine Tür aufzustoßen. Sie sprach bedächtig und betroffen: „Schrecklich“ - und erzählte aus ihrer Kriegszeit.
Ich konnte zum ersten Mal fühlen, was kollektives Bewusstsein bedeutet (Emile Durkheim und Thomas Hübl). Ja, es ist gut, verbunden und in Gemeinschaft über die Betroffenheit zu sprechen, auch zu fragen wie es den alten Menschen geht und empathisch zuzuhören.
Es gibt viele Möglichkeiten bei überwältigenden Gefühlen das Nervensystem wieder in Balance zu bringen.
In unserer Mediathek gibt es einige Videos von Kolleg:innen, die sehr hilfreiche und praktisch anwendbare Hinweise geben. Genauso möchte ich das Buch von unserer Kollegin Sandra Hintringer „Der Vagusnerv - Unser innerer Therapeut“ sehr empfehlen. In diesem Buch fand ich auch hilfreiche und leicht verständliche Übungen.
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