Wer hat, dem wird gegeben - die Mentalität der Fülle
Ist das Glas halb leer oder halb voll? Passend zum Thema Grundbedürfnisse und Selbstfürsorge beleuchten wir heute die Wahrnehmung von Mangel und Fülle. Wir sehen, dass es zum einen gesellschaftlich und kulturell geprägt ist, wie zum Beispiel Armut und Reichtum definiert werden. Es soll hier jedoch nicht um soziale Ungleichheit und ungerechte Verteilung von Ressourcen gehen, die es zweifellos gibt und die man mittels Umverteilungspolitik reduzieren kann. Es geht vielmehr darum, wie wir subjektiv in einer gegebenen Situation Mangel oder Fülle erleben. Das hat mit unserer Wahrnehmung und mit unseren Grundbedürfnissen tun. Sicher tragen erfüllte Grundbedürfnisse dazu bei, sich “reich” zu fühlen, auch wenn man materiell weniger gut gestellt ist. Wer sozial gut eingebunden und vor allem gut mit sich selbst und seinen Gefühlen verbunden ist, der empfindet weniger Mangel als jemand, der das nicht ist.
Wer einmal in ärmeren Gegenden dieser Welt unterwegs war, der weiß, mit wie wenig materiellem Besitz Menschen doch glücklich sein können. Wer sich dagegen mit Millionären unterhält, der wird erstaunt feststellen, dass sich viele überhaupt nicht reich fühlen, sondern vielmehr in ständiger Sorge leben, sie könnten ihren Besitz durch widrige Umstände verlieren.
Das ist schon ein deutlicher Hinweis darauf, dass ein Mangel- oder Fülle-Erleben nicht nur mit äußeren Umständen sondern auch mit der inneren Verfassung zu tun haben.
Wem genug zu wenig ist, dem ist nichts genug. (Epikur, gr. Philosoph)
Die innere Haltung kreiert so etwas wie selbsterfüllende Prophezeiungen. Annahmen, die dazu beitragen, dass bestimmte Dinge möglich sind oder nicht. Oder dass bestimmte Ereignisse eintreten. An der Börse lassen sich solche psychologischen Effekte gut beobachten.
Oder bei Prüfungsängsten. Eine Mentalität, die von negativen Glaubenssätzen geprägt ist, wittert überall Risiken und Gefahren und findet “das Haar in der Suppe”. Auch bei sich selbst: “Ich bin nicht gut genug, anders als die anderen, nicht erfolgreich, schön, liebenswert usw.”
“Denn wer da hat, dem wird gegeben werden, und er wird die Fülle haben; wer aber nicht hat, dem wird auch, was er hat, genommen werden.” (Matthäus, Kap. 25, Vers 29). Durch meine mentale Ausrichtung auf die negativen Dinge, werden diese sich verstärken. Energie folgt der Aufmerksamkeit. Das ist mit dem sogenannten Matthäus-Effekt gemeint. Das gilt auch umgekehrt: Der Teufel sch… auf den größten Haufen.
Was tun, wenn wir in einer Negativ-Spirale gelandet sind? Welche förderliche Haltung können wir einnehmen?
Empfehlung: Atme tief und entwickle eine Mentalität der Dankbarkeit. “Es ist nicht perfekt, aber es ist gut, so wie es ist.” Nur als Versuch.
Ein weiter Geist, der demütig und dankbar eingestellt ist, wird viel leichter die Schönheit in den Dingen erkennen, viel mehr auf das schauen, was alles da ist. Die Schönheit der Natur in all ihren Facetten sehen, die Liebe und Fürsorge der Menschen anerkennen, die Freiheit und die tausend Möglichkeiten unseres Lebens in einem stabilen Gemeinwesen wertschätzen. Der weite Geist wird auch sich selbst mehr in seinem authentischen Potenzial, seiner tatsächlichen Größe, erkennen und achten, wird selbstbewusst an die Dinge herangehen, weil er um seine Fähigkeiten weiß.
Wer hat, dem wird gegeben - so kommen wir wieder in die Fülle: Indem wir anerkennen, was wir haben, dankbar sind für das, was uns gegeben ist: für unsere Talente und unsere Einzigartigkeit, für die Fähigkeit beizutragen. Für die Menschen in unserem Leben, die uns zugeneigt sind. Es ist gut genug.
Bild zur Meldung: © Manu Schwendener auf Unsplash