Vom Geben und Nehmen - Zur Ökologie der Ernährung
Die Erde aufbauen oder aussaugen - das ist eine Entscheidung, die wir täglich bei der Nahrungsbeschaffung treffen. Die Ökonomie bietet uns beide Optionen an, sowohl regenerative (Win-Win) als auch extraktive (Win-Lose) Modelle. Extraktive Modelle sind auf kurzfristige Profitmaximierung ausgerichtet und versuchen möglichst viele Kosten auf die Allgemeinheit und die Umwelt abzuwälzen - es entsteht eine Win-Lose-Situation. Wenn der eine gewinnt, verlieren die anderen.
Ein Agrarkonzern stellt chemische “Pflanzenschutz”-Mittel zur Steigerung der Erträge her, durch deren Einsatz eine Win-Lose-Spirale in Gang gesetzt wird: Durch die Chemie wird das Zusammenspiel der Mikroorganismen mit den Pflanzen gestört, der Boden degeneriert, wird zunehmend unfruchtbarer, speichert weniger Wasser und CO2 und wird anfälliger für Erosion. Der Konzern gewinnt, denn um gleichbleibende Erträge zu erzielen, muss der Landwirt immer mehr Chemie einsetzen. Kurzfristige Einzelgewinne werden mit langfristigen Gemeinwohlverlusten erkauft. Erzeuger geraten in existenzbedrohende Situationen - steigende Produktionskosten, stark schwankende Erträge durch das Preisdiktat der großen Handelsunternehmen.
Ähnlich verhält es sich auf der individuellen Ebene des "Konsumenten": Industriell erzeugte Lebensmittel versprechen einen kurzfristigen Gewinn, zum einen durch den günstigen Preis, zum anderen durch die “Convenience”, die Bequemlichkeit der einfachen und schnellen Verfügbarkeit und Zubereitung. Am Ende entsteht auch hier eine Win-Lose-Situation: Ich gewinne kurzfristig Geld und Zeit und verliere langfristig Vitalität und Gesundheit.
Ein regeneratives Modell dagegen verlangt kurzfristig einen etwas höheren Preis für seine Produkte, erschafft aber langfristig eine Win-Win-Situation.
Der Erzeuger produziert Lebensmittel mit nachhaltigen Methoden, im Einklang mit der Natur, baut dadurch Boden auf (Stichwort: Aufbauende Landwirtschaft), fördert die Artenvielfalt und vieles mehr. Win-Win: Durch Direktvermarktung über Hofläden, Online-Plattformen, Crowdfarming und genossenschaftliche Modelle wie Solidarische Landwirtschaft oder Food-Coops gewinnen alle: Erzeuger erzielen existenzsichernde Preise, Endverbraucher erhalten erschwingliche und gesunde Lebensmittel.
“Deine Zauber binden wieder, was die Mode streng geteilt” (Ode von Schiller):
Die Ökologie der Ernährung beinhaltet mehr nur als die nachhaltige Erzeugung von Lebensmitteln. Es geht letztlich um die Heilung der Separation, das Existieren in voneinander getrennten Welten einer scheinbar rationalen Ökonomie und arbeitsteiligen Gesellschaft. Das alte Spiel, in dem beide Seiten, Konsumenten und Produzenten darum konkurrieren, möglichst viel für möglichst wenig Einsatz (Geld) rauszuholen - auf Kosten des Miteinanders und der Umwelt.
Wie haben die Wahl: Wir können passiv schulterzuckend zur Kenntnis nehmen, dass konventionelle, “rationale” Landwirtschaft eben Kollateralschäden hervorbringt, mit denen wir nichts zu tun haben wollen. Oder wir sehen bewusste Ernährung als Gelegenheit, uns wieder als positiv gestaltenden, co-kreativen Teil von natürlichen Kreisläufen zu erfahren. Und eine stärkere Verbindung zur Natur zu erleben, zum nährenden Wesen von “PachaMama”, der gütigen Mutter Erde. Wir können die sinnstiftende Rolle des Co-Produzenten einnehmen, der das Wunder des Lebens wertschätzt und hilft zu bewahren.
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