Hilfe, ich wachse (nicht mehr)!
Mein April-Beitrag befasst sich mit dem Altern und ist inspiriert von Hermann Hesses wohl bekanntesten Gedicht “Stufen”. Für die aktuelle Ausgabe gehe ich noch mehr auf den Aspekt des Wachstums und der Ausdehnung ein. Wie können wir das Erblühen, das wir gerade in der Natur beobachten, in uns selbst fördern? Unabhängig vom chronologischen Alter und äußeren Umständen.
“Der Weltgeist will nicht fesseln uns und engen
Er will uns Stuf´ um Stufe heben, weiten” (H.H.)
Was bedeutet das?
Wachstum, Entwicklung und Ausdehnung ist ein grundlegendes Lebensprinzip. So wie das Universum sich immer weiter ausdehnt (bevor es vielleicht irgendwann wieder kollabiert), so streben auch wir danach, zu expandieren. In unseren Fähigkeiten, in unserem Wissen, in unserem Selbst-Bewusstsein, in der Liebe. Wer möchte schließlich weniger davon?
So ist Lernen und Entwicklung ein essentielles Grundbedürfnis. Wenn es längere Zeit unerfüllt bleibt, merken wir das. Wir werden unzufrieden, sind gelangweilt, etwas nagt an uns. Wer möchte über Jahre und Jahrzehnte dasselbe tun, dasselbe erleben? Stagnation und Stillstand sind auf Dauer kaum auszuhalten. Das gilt für das Innen, wie für das Außen.
Im Innern streben wir nach “besseren”, vielleicht intensiveren Gefühlen, nach mehr Bewusstheit, Freude und Gelassenheit. Im Außen wollen wir bessere Beziehungen, eine sinnvollere Arbeit, gesünder leben.
Zuviel Routine ist der Tod jeder Lebendigkeit. Das gilt für Liebesbeziehungen, die Beziehung zu uns selbst genauso wie für die Arbeit.
Und natürlich darf es immer wieder Phasen der Ruhe und des Nichtstuns geben (“Let it be”).
Es geht nicht um unaufhörliches, lineares Wachstum, das “höher, schneller weiter”, sondern um natürliche Entfaltung, die aus sich selbst heraus geschieht. Diese verläuft nicht linear, sondern in Zyklen und in Schüben.
Das Entscheidende ist, unsere eigenen natürlichen Wachstumsimpulse wahrzunehmen - und ihnen zu folgen. Wir spüren es, wenn Veränderung ansteht. Die innere Spannung wächst und wir fangen an, nach Wegen zu suchen und vielleicht nach Verbündeten, mit denen wir ein Stück gemeinsam gehen können. Oder wir unterdrücken die Impulse und merken, wie unser Wohlbefinden leidet. Vielleicht werden wir sogar krank, wenn wir zu oft über das eigene Grundbedürfnis der Expansion hinweggehen. Das passiert leicht, wenn der Innere (oder äußere) Kritiker zu laut wird: “Was soll das bringen?”, “Schuster, bleib bei deinen Leisten.”...
Also ist die - eingangs gestellte - Frage weniger, wie wir das Erblühen in uns fördern können, sondern es geht vor allem darum aufzuhören, das natürliche Erblühen, die Wachstumsimpulse in uns zu blockieren.
“Es gibt nichts gutes außer man tut es.” (E.K.)
Das kann bedeuten, die Komfortzone für einen Moment zu verlassen. Einen Workshop geben, eine Weiterbildung beginnen, eine Reise unternehmen, klärende (Coaching-) Gespräche führen…
Sich auf das Neue, Unbekannte einzulassen.
“Des Lebens Ruf an uns wird niemals enden.” H.H.
Es bedeutet immer ein wenig Selbst-Überwindung. Die konservativen, überkritischen Kräfte in uns nicht ans Steuer zu lassen. Dem Ruf zu folgen und “Stuf’ um Stufe weiter zu wachsen.
Bild zur Meldung: Foto von I.am_nah auf Unsplash