Mensch und Natur - wird das noch was mit den beiden?
Der Paartherapeut stellt fest: Wir haben es ziemlich vermasselt mit unserer Beziehung zum Planeten. Wie Roger Willemsen es als Nachruf auf unsere Generation zusammenfasste:
Wir waren jene, die wussten, aber nicht verstanden, voller Informationen, aber ohne Erkenntnis, randvoll mit Wissen, aber mager an Erfahrung. So gingen wir, von uns selbst nicht aufgehalten.
(siehe aktueller Kinofilm “Wer wir waren”).
Spätestens seit der Vertreibung aus dem Paradies ist die Beziehung zwischen Mensch und Natur chronisch angespannt. Dass die Einheit mit der Natur auseinandergefallen ist, muss durch die Frucht des “Baumes der Erkenntnis”, dem menschlichen Geist, verursacht worden sein.
„Seid fruchtbar und mehret euch, füllt die Erde und unterwerft sie und waltet über alle Tiere, die auf der Erde kriechen!“ So steht es geschrieben (Genesis 1,28). Offensichtlich hat der Menschling diese Worte sehr ernst genommen und hart an der Erfüllung der Mission gearbeitet. Innerhalb von 150 Jahren die komplette Biosphäre umgekrempelt und dem Planeten seinen Anthropozän-Stempel mit einer Technosphäre aufgedrückt. 50 kg produziertes Zeug pro jedem(!) Quadratmeter Erde - das hat noch keine andere Spezies je annähernd geschafft. Leider hat die Natur dabei gelitten und ist zunehmend unglücklich in der Beziehung.
Aber wie konnte es soweit kommen? Und was hat das mit dem menschlichen Geist zu tun?
Der Paartherapeut sagt, das liegt an der Art des Ich-Bewusstseins, das sich getrennt von der Außenwelt erfährt, das sonst keiner anderen Spezies zu eigen ist. Ein Geist, der von einer “Umwelt” spricht. Ein mehr oder weniger feindliches Außen, das ihn umgibt, dem er autonom, souverän und möglichst unverletzlich gegenübersteht und gegenüber dem es gilt, sich zu behaupten. So wie jedes andere Lebewesen eben auch versucht, seine Art zu erhalten.
Also sehr verständlich, dass ein mit einem starken Überlebenstrieb und hoher Intelligenz ausgestattetes Lebewesen versucht, möglichst gute Bedingungen für seinen Fortbestand zu schaffen und ein angenehmes Leben zu führen. Aber hey, Homo sapiens hat es ziemlich übertrieben mit dem “die-Erde-zum-Untertan-machen”.
Wie Gregory Bateson schon bemerkte:
“Das Lebewesen, das im Kampf gegen seine Umwelt siegt, zerstört sich selbst.”
Also höchste Zeit für eine Paartherapie.
Es gibt zwei grundsätzliche Arten von Beziehung, die wir mit anderen Lebewesen führen können. Wir erklären “es” zum Objekt “etwas Unwesentliches” - oder zum Subjekt - “jemand Wesentliches”. Natur als Objekt bedeutet, sie ist dazu da, angeeignet und ausgenutzt zu werden:
Ein “Bioreaktor”, der uns mit allem Lebenswichtigen versorgt: Luft, Wasser, Rohstoffe, “Nutztiere” und “Nutzpflanzen”. Dieser patriarchalische Herrschaftsanspruch ist tief in die kulturelle DNA eingeschrieben (siehe obiger Bibelspruch). Auch wenn er beginnt zu bröckeln, scheint er doch immer noch selbstverständlich. Land ist “Bauland”, “Nutzfläche”, Rohstofflieferant, die Landschaft wird nach Bedarf durchbohrt, planiert, umgegraben oder weggebaggert.
Optisch einigermaßen intakte Natur ist Urlaubs-, Erholungs- und Auslaufgebiet oder dient als Selfie- und Filmkulisse, Stichwort Instagrammability. Kurz: Mensch degradiert die Natur zum Objekt seiner Interessen, alles hat einen mehr oder weniger hohen Nutzwert.
Mal ehrlich: welcher gesunde menschliche Partner würde so eine einseitige Beziehung auf Dauer mitmachen? Wer möchte zum Objekt gemacht, als Sache oder Ding behandelt werden? Aber das ist wohl die unangenehme Wahrheit, der Ist-Zustand, von dem aus wir die Paartherapie beginnen müssen.
Schauen wir mal, was der Therapeut vorschlägt:
Der naheliegende Schritt ist, von dem einseitigen Subjekt-Objekt-Verhältnis in eine gleichwürdige Beziehung hineinzuwachsen. Die Natur als lebendiges Wesen wahrzunehmen, mit eigener Intelligenz, eigenen Bedingungen und dem Recht auf ein respektvolles Miteinander. Mensch hat Nachholbedarf.
“Die Natur ist immer wahr, immer ernst, sie hat immer recht, und die Fehler und Irrtümer sind immer des Menschen.” J.W. v. Goethe
Eine behutsame, bewusste Annäherung, wie Miriam Großhennig und Katharina Höricke in Ihren Beiträgen beschreiben, ist ein guter Schritt. Es geht dabei eben nicht nur um das verstandesmäßige Erfassen. Es geht - wie in der menschlichen Paarbeziehung - darum, ein Gespür füreinander zu entwickeln, sich in den anderen einzufühlen, es geht um Liebe und Respekt. Um Vergebung bitten. Und der Natur etwas zurückgeben.
Ach ja, auf eine wichtige Sache weist der Paartherapeut zum Schluss unserer Sitzung noch hin: Ein endgültiges Scheitern der Beziehung wäre am Ende nur für einen der beiden ein Problem.
Bild zur Meldung: © Sonja Rozman (Linescapes).de