Alleinsein: Ich - Du - Wir
Alleinsein, für die einen sind es Qualitäten, in die sie sich dankbar hineinbegeben und annehmen. Für andere wiederum ist es ein Zustand, in dem sie sich zunehmend verloren fühlen, unter dem sie leiden. Wie kann der Unterschied der Wahrnehmung und des Fühlens so riesig sein? Wie kann es sein, dass für den Einen Alleinsein ein großes Geschenk ist, während es für andere ein angstverbundenes Leid darstellt?
Gilt auch hier der Satz von Paracelsus?: „Alle Dinge sind Gift, und nichts ist ohne Gift; allein die Dosis macht’s, dass ein Ding kein Gift sei.“
Wie viel Alleinsein vertrage ich? Wir Menschen sind soziale Wesen, wir brauchen das Miteinander, um zu wachsen und uns zu entwickeln. Wenn dies unzureichend gegeben ist, stagnieren wir und gehen unter. Daraus entsteht wohl auch die größte Urangst vor dem Alleinsein.
Es gibt das Alleinsein auch in Form von Isolation als Foltermethode. Das ist die krasseste Form von Einsamkeit, die eine tiefe Traumatisierung oder auch den Tod mit sich bringen kann.
Aber auch wenn ich mit jemand anderem zusammen bin oder mich in einer Gruppe von Menschen befinde, kann ich mich durch die fehlende Verbindung einsam und allein fühlen, wenn mir der Zugang zu den anderen fehlt.
Die Brücke zum “Du”
Aber warum kommen manche Menschen besser mit dem Alleinsein zurecht als andere? Könnte es sein, dass sie eine wesentliche Brücke, ein Bindeglied verinnerlicht haben, die anderen (noch) nicht zugänglich ist?
Während des Aikidotrainings habe ich einen wichtigen Dreiklang für mich gelernt:
ICH - DU – WIR. Zuerst brauche ich einen Kontakt zu mir, zu meinen Bedürfnissen, was will und brauche ich wirklich (Selbstreflexion). Was macht das mit mir, was gerade auf mich zukommt? Im Du geht es um einen aufrichtigen und respektvollen Kontakt zu Dir, wie begegne ich Dir, wie antworte ich auf Deine Wünsche und Bedürfnisse? Daraus kann ein Wir entstehen, ein Miteinander, in dem eine wirkliche Verbindung zustande kommt, wir fühlen uns beide akzeptiert und verstanden. Es ist eine Brücke zwischen mir und dir entstanden.
Ich kenne selbst in meinem Leben sowohl die Seite, in der ich unter meinem Alleinsein gelitten habe, wie auch die Seite, wo ich mich über das Alleinsein gefreut habe.
Mit zunehmendem Alter ist da für mich ein wichtiges Bindeglied entstanden, mit dem ich mich in ein „Wohlfühl-Alleinsein“ hineinbegeben konnte. Das hängt mit der Akzeptanz des Seins-Zustandes und mit einer wichtigen Fragestellung zusammen: „Warum habe ich mir jetzt gerade diesen Zustand so erschaffen, worauf will er mich hinweisen, was ist jetzt gerade wichtig?“ „Will ich gerade wirklich in Verbindung zu (einem) anderen Menschen sein?“
Ich bin ein sehr verbindungsfreudiger Mensch und gleichzeitig brauche ich den Rückzug. Diese Erkenntnis hat mir klar gemacht, warum ich trotz meiner großen Kontaktfreudigkeit alleine lebe. Ich kann mein selbstgewähltes Alleinsein genießen und mich mit mir wohlfühlen. Und wenn ich soweit bin, kann ich genauso in die Welt hinausgehen und mich mit anderen Menschen auf gesunde Weise verbinden.
Bild zur Meldung: Aritha auf Pixabay